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Marketing-Strategie

02.06.2022

Die 7 Verhaltensprinzipien im Mid Funnel und mögliche Lösungsansätze dazu

Wie sich Kund:innen in der Phase der Kaufentscheidungsfindung im Mid Funnel verhalten nach Google AUNZ

Von Jürgen Rösger und Aaron Herbst

In der Phase der Kaufentscheidungsfindung werden Konsument:innen im Schnitt von 300 unterschiedlichen, z.T. tiefenpsychologischen Entscheidungs- und Verhaltensprinzipien beeinflusst.

Google hat diese in sehr aufwendigen Untersuchungen zu 7 Prinzipien zusammengefasst. Wir haben diese aufgearbeitet und entsprechende Lösungsansätze dazu erarbeitet:

1. Übergreifende Markenpräsenz

Die Marke / das Produkt sollte im Kategorie-Kontext und im Kontext aller möglichen Use Cases präsent sein. Konsument:innen suchen nicht unbedingt nach spezifischen Produkten oder Marken, sondern zunehmend nach Lösungen für ihre Use Cases.

Die können bei einem PKW-Kauf u.a. sein: Sicherheit, Pferdesport, guter Überblick, mit dem Kajak ins Wochenende o.ä.. Es ist essentiell bei den Kunden während dieser Use Case-Exploration mit der eigenen Marke als Use Case Lösung präsent zu sein.

Das bedeutet im Umkehrschluss zu verstehen, in welchem Kontext der geplante PKW-Kauf steht. Dafür sollte ich als Anbieter analysieren, welche potentiellen Use Cases aus Sicht der Kunden existieren und relevant sind und wie ich mich als Hersteller für diesen bestmöglich empfehlen kann. Klassische PKW-KPI’s reichen nicht mehr, es ist vielmehr notwendig, eine übergreifende, Use Case bedienende Relevanz- und Content-Strategie für den Mid Funnel zu entwickeln und bereitzustellen.

Dabei helfen methodischen Instrumente und Analyseverfahren wie z.B. eine Relevanzanalyse mit der sich kontextuelle Verbindungen zwischen Produkt/Marke und Konsumenten Use Cases identifizieren lassen. Basierend auf den Ergebnissen lassen sich dann passende Inhalte-Strategien ableiten, umsetzen und datenbasiert optimieren.


2. Kategorie Heuristiken

Kurze Beschreibungen mit vergleichbaren, für die Kategorie nutzerrelevanten Kernfeatures vereinfachen den Benchmark.CO2-Ausstoss, Bio-Label, Qualitäts-Zertifizierungen und andere Kategorisierungs-Merkmale wie Testergebnisse oder die Zugehörigkeit zu einer Hotel-Kategorie (z.B. Relais & Chateaux) helfen dem Verbraucher Produkte und Dienstleistungen besser einstufen zu können.

Um auch für die unterschiedlichen Interessensausprägungen der Konsumenten gerüstet zu sein empfiehlt es sich, um beim Beispiel des Hotels zu bleiben, einmal Mitglied bei Relais & Chateaux o.ä. zu werden, die Nachhaltigkeitsfrage über grüne Energie oder besonders effiziente Energienutzung zu beantworten bzw. in der Küche nur Produkte aus der Region zu verwenden und dieses auch entsprechend zielgruppenspezifisch zu kommunizieren bzw. im Mid Funnel auffindbar zu gestalten.

3. Power of now

Je länger man auf ein Produkt / eine Lösung warten muss, desto schwächer wird der Mehrwert wahrgenommen. Verfügbarkeit ist daher ein wichtiger Entscheidungstrigger. In Kombination mit Verknappung (nur noch 3 Zimmer in dieser Kategorie verfügbar) oder garantierter Verfügbarkeit (bis 18:00 bestellen und spätestens übermorgen geliefert) sogar ein nachhaltiger Entscheidungsbeschleuniger.


4. Social proof

Empfehlungen und Reviews von echten Nutzer:innen sind besonders überzeugend - auch wenn sie nicht nur positiv sind. Konsumenten adaptieren die Meinung und folgen in der Regel auch dem Verhalten ihrer sich zugehörig fühlenden sozialen Gemeinschaft (siehe auch: Stanford Encyclopedia of Philosophy).

Ein schönes Beispiel ist z.B. die Akzeptanz, 45 min in der Kälte auf einen Platz im angesagten Burger-Restaurant zu warten, während auf der gegenüberliegenden Seite ein halb leeres, über Plätze verfügendes, qualitativ vergleichbares Restaurant gemieden wird. Eine mögliche Lösung ist die Adaption der Marken-/ Use Case Benefits auf unterschiedlichste Social-Segments mit entsprechend angepassten USP-Differenzierungen (für den einen ist es X, für den anderen ist es Y warum er sich für die jeweilige Marke entscheidet).


5. Scarcity bias

Je geringer der Bestand / die Verfügbarkeit desto verlockender das Produkt. Das Spiel, das Booking.com & Co. perfekt beherrschen, ist das Spiel mit der Verknappung, um Entscheidungsprozesse zu beschleunigen. Im Grunde geht es ja um den Wettbewerb mit anderen Interessenten um ein rares Gut, das sich insbesondere für den sozialen Konsum einsetzen lässt (It-Bags, Sneaker Editions…) und daher die Eitelkeitssynapsen schneller pulsieren lässt.


6. Authority Bias

Ein Experte oder Meinungsführer wirkt besonders überzeugend. Der Kompetenztransfer durch einen ausgewiesenen Experten in Form einer Nutzungs-Empfehlung oder dem Bekenntnis das Produkt selber zu nutzen hat einen hohen Einfluß auf Kaufentscheidungen.

Produkt-Testimonials gibt es bis hin zu eigenen Produktserien (Jamie Oliver Tefal Pfannen). Das Grundvertrauen in Fach-Autoritäten ist auch einer der Trigger für Social Norms. Eine weitere Form von Authority Bias ist der Gewinn oder die adäquate Bewertung in Vergleichs- oder Produkttests, was wieder sehr nah an das Thema Kategorie Heuristiken heran reicht.


7. Power of Free

Ein Geschenk zum Kauf motiviert irrational stark - auch wenn es in keinem Bezug zum Produkt steht. Verbraucher:innen haben eine sehr hohe Affinität für alles was es gratis dazu gibt. Free shipping by amazon beim Kauf des zweiten Buchs, free breakfast, 20% mehr Inhalt for free oder der zusätzliche Einkaufsgutschein.

Free ist extrem erfolgreich (siehe auch: Dan Ariely, Predictably Irrational). Dabei haben verschiedene Experimente gezeigt das es nicht immer nur um den reinen Mehrwert geht sondern ganz häufig darum, einfach etwas gratis on top zu bekommen.
Wie spielen Anbieter mit diesem Phänomen bzw. wie kann es für die eigene Wertschöpfungssteigerung genutzt werden?

Nehmen wie das Beispiel „free breakfast“. Hier kann das z.B. bedeuten, dass man das Standard-Frühstück gratis bekommt, alle Extras wie Eierspeisen, Orangensaft, Cappuccino aber kostenpflichtig sind. Insbesondere in Ländern wie den USA und Australien ein guter Weg die Gäste im Hotel zu halten und trotzdem den CLV zu erhöhen.

Gleichzeitig ist for free auch ein sehr guter Treiber den Kaufentscheidungsprozess nachhaltig zu beschleunigen, insbesondere wenn es sich um zeitliche oder mengenmäßige Limitierungen (Scarcity bias) handelt (derzeit schauen sich 27 andere das Zimmer an, noch 3 Plätze frei…).


Die Wirkung der 7 Prinzipien beim Einsatz in Kaufentscheidungsprozessen – ein kleiner Exkurs in die Google Marktforschungs-Studie

Bei diesem Experiment ging es um die Frage wie und in welcher Kombination/Ausprägung greifen die 7 von Google definierten und zuvor beschriebenen Prinzipien.

Dabei wurden rund 31.000 Konsument:innen ihre 1st und 2nd Choice Brands für verschiedene Produktkategorien in einem einheitlichen Raster präsentiert.

Die bloße Präsenz der Wahlmöglichkeit lässt im Schnitt 30% ihre 2nd Choice Brand bevorzugen (Abb. unten). I Grafiken: Google / cdxe.de

Wird die Präsentation der 2nd Choice mit Inhalten aufgeladen, die die identifizierten Prinzipien bedienen, wechselt sogar die Mehrzahl der Konsumenten (Abb. unten).

Das Ergebnis ist mehr als beeindruckend, aber es kommt noch besser.

Test 2: Funktioniert das auch ohne eine bekannte Marke?

Bei diesem Versuch wurden die 2nd Choice Brands durch fiktive Marken ersetzt, mit der Tester*innen noch nie zu vor interagiert haben.

Doch auch bei diesem Versuch bestätigt sich die Wirkung der 7 Prinzipien, wie man aus der unteren Abbildung ersehen kann.

Allein dadurch, dass eine fiktive Marke in der Lage ist die Experience-, Convenience- und Bias- getriebenen Heuristiken im Entscheidungskontext besser zu bedienen, reicht ein oft jahrzehntelang gepflegtes Markenbild alleine nicht mehr aus um diesen Entscheidungsprozess gewinnen zu können.

Google hat aus diesen Erkenntnissen ein Handlungs-Modell abgeleitet.

Fazit

Die Handlungsfelder an sich sind isoliert betrachtet nichts Neues. Den entscheidenden Unterschied macht die datenbasierte und dadurch individualisierbare Orchestrierung im Mid Funnel. Die zielgruppen- bzw. situativspezifische Ausspielung und Kombinatorik der vorgestellten 6 Handlungsfelder machen es zu einem extrem mächtigen Marketing-Instrument. Verknüpft mit Echtzeit-Wettbewerbs-Analyse-Werkzeugen ist man als Anbieter in der Lage, kontextrelevant die Angebote zu optimieren.

Marken müssen neue Wege gehen, um den Kunden im entscheidenden Mid Funnel-Bereich für sich zu gewinnen. Denn hier wird die Kaufentscheidung des Kunden getroffen und hier lauert auch die Konkurrenz, Preisvergleichsseiten, Influencer etc., die den Kunden überzeugen wollen.

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Dies ist ein Auszug aus dem Artikel "Der Mid Funnel – Wo und wie Konsumenten heute ihre Entscheidungen treffen!" aus dem C/DXE-Forschungsprojekt der Universität Mannheim und der Interactive Marketing Group. Die Vollversion gibt es hier.

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