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SEO
25.06.2025
Die Frage, die sich derzeit viele stellen, ist: Warum sollte man sich jetzt für Künstliche Intelligenz (KI) interessieren? Ist dies wirklich so entscheidend oder handelt es sich lediglich um einen kurzlebigen Hype ähnlich wie bei Voice Search oder dem Metaverse?
Von Julio C. Guevara
Um diese Fragen zu beantworten, genügt eine Analyse des aktuellen Nutzerverhaltens und dessen Transformation. Die Art und Weise, wie Informationen im Internet gesucht werden, verändert sich rasant. Immer mehr Nutzer greifen auf KI-Systeme, sogenannte Large Language Models (LLMs), zurück. So ist OpenAI aktuell die 30. meistbesuchte Website weltweit. Allein in Deutschland besuchen monatlich über 0,4 Milliarden Menschen ChatGPT, um Lösungen für ihre Anliegen zu finden.
Die primäre Nutzergruppe dieser Technologien sind junge Menschen zwischen 18 und 34 Jahren, die 63% der LLM-Nutzer ausmachen. Diese Gruppe zeichnet sich durch eine proaktive Nutzung von KI als Such- und Hilfsmittel aus.
KI entwickelt sich somit zu einem wichtigen Suchkanal. Eine beträchtliche Anzahl von Nutzern interagiert täglich mit KI-Systemen, um gezielt Informationen zu finden. Prognosen deuten darauf hin, dass bis zu 79% der Verbraucher LLMs bis 2026 als Suchmaschine nutzen werden. Obwohl diese Zahlen derzeit noch auf begrenzten Studien basieren, scheinen sich diese Entwicklungen durch neue Produktinnovationen von Google und deren „AI Overviews“ (AIOs) zu beschleunigen.
Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung wird durch 1,5 Milliarden Aufrufe von AIOs weltweit seit deren Einführung belegt, die Google im Rahmen seines I/O Events im Mai vorgestellt hat. Diese Transformation stellt Marketing- und SEO-Verantwortliche vor neue Herausforderungen, bietet jedoch gleichzeitig signifikante Chancen für eine optimierte Marktpositionierung.
Die Art und Weise, wie gesucht wird, befindet sich im Wandel. Google führt AIOs sukzessive in verschiedenen Ländern ein (in Deutschland wird der Rollout aktuell durchgeführt). In Deutschland wird erwartet, dass KI-Antworten 10-15% aller Suchergebnisse ausmachen werden. Und das über die gesamte Customer Journey hinweg: von der Informationssuche über Listen und Vergleiche bis hin zum Shopping.
Einen ähnlichen Wandel haben wir bereits mit der Einführung der SERP Features erlebt. Damals führten diese Features zu einem Rückgang des Traffics um etwa 40% für alle Positionen, die nicht selbst als SERP Feature ausgewiesen waren. Der stärkste Impact zeigte sich bei den Top-Positionen, die bei Präsenz von SERP Features einen Rückgang von 60-80% des Traffics verzeichneten.
Klickdaten von Sistrix zeigen, dass AIOs einen vergleichbaren Klick-Effekt wie SERP Features haben. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, dass AIOs die SERP Features nicht ersetzen, sondern ergänzen. Sie werden bei einer größeren Anzahl von Keywords angezeigt und bieten keinen „Brand Real Estate“, über den eine Domain positioniert und somit vom Traffic profitieren könnte.
Die AIOs stellen alle notwendigen Informationen bereit, um eine Suchanfrage zu beantworten, ohne dass Nutzer noch weiter auf die Quell-Domains klicken müssen.
Eins steht fest: Marken müssen entweder ihre Marketing-Performance extrem verbessern oder lernen, sich relevanter zu positionieren. Der Wettbewerb um Klicks wird schwieriger und teurer denn je.
KI in der Suche hat folgende Auswirkungen für alle Marketing-Teams (unabhängig davon, ob sie Paid oder Organic betreiben):
Wenn weniger Nutzer auf Suchergebnisse klicken, Wettbewerber aber die gleichen Mediabudgets haben, werden die Preise für Paid Search (CPCs) steigen. Man muss seine Paid-Kanäle also deutlich effizienter steuern.
Marken müssen ihre Präsenz im Internet in wichtigen Bereichen verstärken und passende Informationen bereitstellen. Es ist wichtig zu analysieren, welche Inhalte von KI-Systemen bevorzugt und zitiert werden, um diese gezielt in der Kommunikationsstrategie zu besetzen.
SEO-Prioritäten neu setzen:
Da die Klickraten (CTRs) bei SEO sinken, sind Top-Platzierungen, die viele Conversions bringen, noch wichtiger als zuvor. Es ist entscheidend, seine Ressourcen auf die Bereiche zu konzentrieren, die das größte Business-Potenzial versprechen und nicht nur nach dem Traffic zu gehen.
Um in diesem sich schnell ändernden Umfeld erfolgreich zu bleiben, muss man genau verstehen, wie KI-Systeme funktionieren und wie man ihre Ergebnisse beeinflussen kann.
1. Be Present:
Wir wissen, welche Quellen für die Trainingsdaten von LLMs genutzt wurden. Diese Trainingsdaten und Texte spiegeln die „Realität“ der LLMs wider. Das heißt, die hier vorhandenen Informationen bestimmen, wie sie die Welt „verstehen“ und welche Antworten sie den Nutzern geben werden.
Dank einer Studie von Profound wissen wir, dass die meistzitierten Seiten von ChatGPT beispielsweise Wikipedia (47%) und Reddit (11%) sind. Gleichzeitig nutzt Googles Gemini Reddit auch als Hauptquelle (21%), gefolgt von YouTube (19%), Quora (14%) und LinkedIn (13%).
Der Anteil des KI-Traffics ist im Vergleich zum normalen SEO-Traffic (ca. 50%) noch gering (ca. 0,13%). Das ist sogar weniger als der Traffic, der von Bing weitergeleitet wird. Man sollte dies also nicht überbewerten. Wenn sich die Suchtendenz jedoch weiter in diese Richtung entwickelt, ist es der einzige Weg, eine Marke im Netz zukunftssicher sichtbar zu machen.
Wer also von KI-Systemen zitiert werden möchte, um den Traffic zu erhalten, den diese neuen Technologien bieten (oder zumindest hier sichtbar sein möchte), muss seine Marke in diesen Kanälen stärken.
Wenn KI-Systeme die Antwort nicht in ihren Trainingsdaten finden, greifen sie für aktuelle Informationen auf externe Systeme zurück (Retrieval Augmented Generation oder RAG). In vielen Fällen (zumindest die meisten, die wir bei IMG beobachtet haben) sind dies nichts anderes als SEO-Rankings oder die Seiten/URLs selbst. Das bedeutet: Guter SEO-Inhalt hilft beiden Traffic-Quellen: KI und SEO.
Die gute Nachricht für alle SEO-Experten ist: Die grundlegenden Regeln der Suchmaschinenoptimierung gelten immer noch und sind entscheidend, um sowohl KI- als auch normalen SEO-Traffic zu steigern.
Viele Quellen berichten, dass Gemini und AIOs das gleiche Crawling-System wie die normale Google-Suche nutzen. Google selbst sagt in seinem Entwicklerportal, man solle sicherstellen, dass Inhalte zugänglich sind und sich auf einzigartige, wertvolle Inhalte für Menschen konzentrieren. Das gilt auch für OpenAI- und ChatGPT-Bots.
Dies bedeutet konkret: Alle Inhalte sollen crawlbar und indexierbar sein und im Quellcode als Text mitgegeben werden (nicht per JavaScript, JSON oder Ähnlichem). Am besten geschieht dies per Server-Side-Rendering, um sicherzustellen, dass alle relevanten Bots die Inhalte richtig interpretieren können.
Die schlechte Nachricht: SEO wird das als Kanal nicht alleine schaffen.
Man sollte SEO-Maßnahmen mit aktivem Management der Markenpräsenz in den „earned channels“ verbinden. Dazu gehört der Aufbau eines starken digitalen Fußabdrucks über die eigene Website (SEO), soziale Medien, Online-Wikis, Blogs, Nachrichtenportale sowie Online-Bewertungen und Foren. Das heißt konkret: KI-Sichtbarkeit ist nicht nur SEO-Arbeit, sondern umfasst auch Brand-, Digital-PR- und Social-Media-Arbeit.
2. Be appealing:
Nur präsent zu sein, reicht leider nicht aus.
Der digitale Fußabdruck einer Marke konkurriert mit dem vieler anderer. Marken müssen ihre Inhalte daher gezielt so gestalten, dass sie für KI-Systeme zitierfähig sind. Hierfür ist es wichtig, die entscheidenden Faktoren zu erkennen und diese konsequent umzusetzen.
Frühere Studien, beispielsweise von der Princeton University und Georgia Tech, geben erste Einblicke, welche Optimierungen an Dokumenten vorgenommen werden können, um häufiger von LLMs zitiert zu werden. Faktoren wie Quellenangaben, Statistiken, Lesbarkeits-Optimierung und das Einfügen von Zitaten tragen alle nachweislich dazu bei, die Sichtbarkeit von Marken in KI-Systemen zu erhöhen.
Aber nicht nur Formate werden dabei wichtig, sondern auch die Inhalte selbst.
Um in AIOs und KI-Antworten präsent zu sein, benötigt man ein neues Content-Distribution-Framework. „Commodity Content“ oder allgemeine Inhalte, die jede Marke anbieten kann (z.B. Produktdetails, Fakten und objektive Informationen) reichen nicht mehr aus, um in KI-Kanälen wie Gemini und ChatGPT sichtbar zu sein. Stattdessen sind einzigartige Inhalte wichtig, die auf internen Informationen der Marke basieren wie z.B. interne Insights und Statistiken, meistverkaufte Produkte, eigene Produkttests und Vergleiche sowie relevante und authentische Beratung und Guidance.
Diese Inhalte müssen auch über verschiedene Kanäle (Social Media, Foren und Brand-Website) gemeinsam genutzt werden, um wichtige Themen entlang der Customer Journey abdecken zu können und somit den digitalen Fußabdruck einer Marke relevanter zu machen. Diese Botschaften können durch Brand-Awareness-Maßnahmen ergänzt werden (wie YouTube-Rollouts, OOH oder TV). Zeiten, in denen eine Marke diese Themen nur über die eigene Website platziert, sind leider vorbei.
Eins steht fest: Für Marken ist es entscheidend zu verstehen, wie KI-Systeme sie wahrnehmen und dies aktiv zu steuern. Aus diesen Erkenntnissen haben wir bei IMG ein eigenes Playbook entwickelt. Konkret besteht es aus den folgenden Schritten:
1. Messbarkeit schaffen:
Es müssen Einblicke über die gesamte Customer Journey gesammelt werden, um eine Abdeckung über alle Kanäle hinweg sicherzustellen. Welche Quellen sind für die eigene Marke relevant? Welche Streams/ Abteilungen werden dafür benötigt? Ein spezifisches Set von Ziel-Prompts sollte für Kernthemen festgelegt werden.
2. Owned Channels aufräumen:
Eigene Kanäle (z.B. die Firmenwebsite) müssen „zitierfähig“ sein. Das bedeutet, sie müssen für Bots zugänglich sein, einzigartige Inhalte bieten und gut formatiert sein. Dabei sollten bewährte Methoden verwendet werden, wie die gezielte Beantwortung von FAQs, das Hinzufügen von Zitaten und Quellenangaben sowie die Nutzung von Daten und Statistiken. Eigene Einblicke und Daten des Unternehmens sollten integriert werden, um eine einzigartige Perspektive zu bieten.
3. Earned Channels erobern:
Der digitale Fußabdruck muss über fremde Kanäle durch einheitliche Botschaften gestärkt werden. Eine einheitliche Markenbotschaft sollte bei allen Online-PR-Kampagnen, sowohl mit bekannten Medien als auch bei gesponserten Inhalten, gewährleistet sein.
4. Proaktives Digital-Brand-Building:
Man sollte aktiv Erwähnungen in Fachforen oder auf Plattformen wie Reddit fördern. Ähnlich wie Community-Management-Aufgaben aus dem Social-Media-Management, aber außerhalb der eigenen Account-Kommentare.
5. Monitoring:
Die Sichtbarkeit in KI-Systemen für die definierten Ziel-Prompts kann mithilfe spezieller Tools (z.B. Peec.AI, Otterly, Sistrix, SEMrush) verfolgt werden. Traffic und Conversions sollten dabei eng überwacht und mit klassischen Inbound-Kanälen verglichen werden.
Die Anpassung an die sich entwickelnde digitale Suchlandschaft durch die Umsetzung dieser Strategien ist entscheidend, um in der Zeit der KI-gestützten Suche dauerhaft sichtbar und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Quellen:
Meltwater. (2024, Februar). State of the Web.
SEMrush. (2024, September). IMG SEMrush Traffic Analysis.
Gartner. (2023). 2023 Gartner Innovation Trends Survey (n = 300).
BrightEdge. (2024, August). The ultimate guide to Google AI overviews. https://www.brightedge.com/ai-overviews
Han, Q. (2023, Mai). Beyond rankings: Exploring the impact of SERP features on organic click-through rates (n = 67.000). Carnegie Mellon University.
Sistrix. (2025, Mai). Google AI Overviews: Was sich jetzt für SEO ändert. https://www.sistrix.de/frag-sistrix/seo-grundlagen/ai-overviews/
Li, Z., et al. (2024, Dezember). Defending large language models against jailbreak attacks via layer-specific editing. Singapore Management University.
Aggarwal, A., et al. (2023, November). GEO: Generative Engine Optimization. Princeton University & Georgia Tech.
Google. (2025, Mai). Succeeding in the age of AI Overviews. Google Search Central. https://developers.google.com/search/blog/2025/05/succeeding-in-ai-search
Taylor, D. (2025, Mai). Do users really show higher intent when they click through from an LLM to a website? Salt Agency. https://salt.agency/blog/do-users-really-show-higher-intent-when-they-click-through-from-an-llm-to-a-website/